Hans-Herbst-Edition










Siesta, Stories 1


Hans-Herbst-Edition Band I
Nachwort von Frank Göhre
264 Seiten, gebunden, Euro 19,90
ISBN 978-3-86532-996-7


Das sind Erzählungen aus der „Szene“, aus der Welt der Bars und der Straße: Momentaufnahmen von Einzelgängern, Dealern oder kleinen Gangstern, von rastlosen Menschen voller Angst, geheimer Erwartungen und innerer Spannungen, von „einsamen Helden, die nach ihrem eigenen Ehrenkodex leben und handeln“.
(Hamburger Abendblatt)

Das sind klassische „Short Stories“ in der Tradition amerikanischer Autoren wie Ernest Hemingway oder Raymond Chandler: Geschichten, in denen „Männer noch Männer und Frauen wie für Männer geschaffen sind“.
(Playboy)


Leseprobe
Die Junisonne hat vor dem staubigen Fenster kapituliert, und es ist kühl und dämmrig wie auf einem nordenglischen Friedhof im Spätherbst. An den dunklen Wänden hängen gerahmte Fotos und schlichte Zeichnungen von Baseballspielern und Boxern. Einige von ihnen sind Legende, andere haben ihre alten Tage in den Schlachthäusern oder am Fließband verbracht oder mit der Flasche in der Hand gegen die Schatten der Vergangenheit gekämpft. An der dunklen, gut abgenutzten Theke stehen Lagerarbeiter und trinken Budweiser, und die wenigen Frauen sehen aus, als hätten von zu schwerer Arbeit ewig müde Männer ihren Kummer bei ihnen abgeladen. Am Ende der Theke steht ein kleiner alter Mann, in dessen weißem Gesicht die nachgefärbten Augenbrauen zwei dunkle, zittrige Striche bilden. Er steht da, als hätte er nie irgendwo anders gestanden. Sein dünnes Haar ist fest an den knochigen Kopf geklatscht und hat die gleiche Farbe wie die Augenbrauen. Sein Blick ist nach irgendwo gerichtet. Eine Tweedhose, die zwei Kriege unbeschadet überstanden hat und von soliden Gummiträgern gehalten wird, bedeckt einen Teil seiner schmalen Brust, und über seinem dünnen, gelben Hemd trägt er eine braune Fliege mit hellen Tupfen. Er lächelt selten, und wenn er lächelt, verspürt man unwillkürlich irgendwo Schmerzen. Der Barmann ist um die siebzig und so dünn, dass man ihn kaum bemerkt.
(aus: „Strange Fruit“)